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Folge 221 Ablehnung - Wann Du eine Betreuung nicht übernehmen solltest

Manche Fälle solltest du besser nicht übernehmen. In dieser Folge erfährst du, wann du gesetzlich zur Ablehnung verpflichtet bist, welche Interessenkonflikte und Überforderungen eine Rolle spielen und wie du eine Betreuung sachlich und sicher ablehnst. Mit Praxisbeispielen und Checkliste zur Selbstprüfung.

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Betreut-Podcasts, dem Podcast für rechtliche Betreuer.

Wir schreiben den 18. Juni 2025 und heute widmen wir uns einem Thema, das nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Leben eine große Rolle spielt: Nein sagen, Grenzen erkennen und Verantwortung bewusst ablehnen.

Wie oft sagen wir „Ja“, obwohl wir innerlich spüren, dass wir es nicht sollten? Im Nachhinein fragen wir uns dann, warum wir überhaupt zugesagt haben. Dieses Dilemma gibt es auch im Betreuungswesen.

In der heutigen Folge geht es darum, warum und unter welchen Umständen du eine Betreuung ablehnen solltest – und manchmal sogar musst. Wir beleuchten die rechtlichen Grundlagen, zeigen typische Konfliktsituationen auf, erklären, wie du rechtlich sauber und respektvoll ablehnst und geben dir zum Schluss eine kleine Checkliste mit fünf Reflexionsfragen für deine Entscheidung.

1. Rechtlicher Rahmen: Was sagt das Gesetz?

Mit der Reform des Betreuungsrechts im Jahr 2023 wurden zentrale Vorschriften des BGB modernisiert. Maßgeblich ist heute § 1816 BGB.

Dort heißt es in Absatz 1: Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn er persönlich, fachlich und zeitlich geeignet ist. Diese Dreiteilung ist wichtig, denn es reicht nicht aus, nur ein guter Mensch zu sein – du musst auch über die nötige Zeit und Fachkenntnis verfügen.

Absatz 5 regelt, dass bei einer Interessenkollision keine Betreuung übernommen werden darf. Wer eigene Interessen verfolgt, kann nicht neutral die Belange des Betreuten vertreten.

Absatz 6 unterstreicht, dass auch der Wunsch des Betroffenen nicht ausreicht, um eine ungeeignete Person zur Betreuung zu bestellen – Selbstbestimmung endet dort, wo die Schutzbedürftigkeit überwiegt.

§ 1817 BGB verpflichtet das Gericht, die Eignung der vorgeschlagenen Person zu prüfen. Und § 1821 Abs. 3 stellt klar: Ein Betreuer darf nur Aufgaben übernehmen, die er tatsächlich bewältigen kann. Die Norm berücksichtigt also auch die individuelle Belastungsgrenze.

2. Ablehnungsgründe aus der Praxis: Wann du nicht übernehmen solltest

Es gibt viele Gründe, eine Betreuung abzulehnen – einige gesetzlich zwingend, andere aufgrund professioneller Selbstreflexion.

Klassische Ausschlussgründe sind:

  • Interessenkonflikte: Du bist Gläubiger, Miterbe oder geschäftlich mit dem Betreuten verbunden.
  • Persönliche Nähe: Du bist Ehepartner oder Angehöriger, aber es gibt familiäre Spannungen oder emotionale Überlastung.
  • Konflikte mit Dritten: Du betreust bereits eine Person, mit der der Betroffene im Streit liegt – z. B. Mitbewohner einer WG.
  • Zeitliche Überforderung: Du führst bereits viele Betreuungen und würdest durch die neue Betreuung überlastet.
  • Fehlendes Fachwissen: Du sollst komplexe Vermögensfragen oder medizinische Entscheidungen begleiten, ohne dafür qualifiziert zu sein.
  • Psychische Belastung oder Sicherheitsbedenken: Du fühlst dich dem Fall nicht gewachsen – sei es durch frühere negative Erfahrungen oder aufgrund von Aggressionen des Betroffenen.
  • Rollenvermischung: Du bist Mitarbeiter einer Einrichtung, in der der Betreute lebt – diese Doppelfunktion ist ausgeschlossen.

Solche Konstellationen solltest du offen ansprechen und als Zeichen von Professionalität begreifen, nicht als Schwäche.

3. Drei anschauliche Fallbeispiele

Fall 1: Der Ehemann als Betreuer seiner dementen Frau.

Die Kinder streiten bereits über das Erbe, der Ehemann ist Miterbe und wirtschaftlich involviert. Ergebnis: Ein verdeckter Loyalitätskonflikt. Die Betreuung sollte nicht bei ihm liegen.

Fall 2: Betreuer in der WG mit zwei zerstrittenen Bewohnern.

Ein Berufsbetreuer betreut bereits Herrn A. Nun soll er auch Herrn B übernehmen, der mit A in dauerhafter Feindschaft lebt. Ergebnis: Ein Konflikt der Betreuungspflichten, der zwingend zur Ablehnung führt.

Fall 3: Der Bruder als Betreuer – und Miterbe.

Der Bruder des Betreuten soll betreuen, obwohl er selbst erbt. Das Gericht erkennt den wirtschaftlichen Eigenkonflikt. Auch hier: Besser ablehnen.

Diese Fälle zeigen: Nicht jede Ablehnung ist ein persönliches Scheitern – sie schützt dich, das Verfahren und vor allem den Betreuten.

4. So formulierst du deine Ablehnung rechtssicher

Wenn du bereits vor einer Bestellung kontaktiert wirst, reicht eine formlose Erklärung gegenüber der Betreuungsbehörde oder dem Gericht.

Beispiel:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund eines Interessenkonflikts durch meine berufliche Verbindung zu einem Mitbewohner des Betroffenen sehe ich mich außerstande, die Betreuung zu übernehmen. Ich bitte von einer Bestellung meiner Person abzusehen.“

Ist die Betreuung bereits erfolgt, musst du einen Antrag auf Entlassung nach § 1908b BGB stellen und sachlich begründen, warum du für die Aufgabe nicht geeignet bist oder sie nicht verantworten kannst.

Entscheidend ist: Frühzeitige Offenheit hilft dem Gericht und verhindert Konflikte im weiteren Verlauf.

5. Fünf Reflexionsfragen für deine Entscheidung

Wenn du nicht sicher bist, ob du die Betreuung übernehmen solltest, stelle dir diese fünf Fragen. Wenn du zwei oder mehr mit „Ja“ beantworten musst – lehne ab:

  • 1. Besteht eine persönliche oder emotionale Beziehung zum Betreuten?
  • 2. Gibt es finanzielle Verflechtungen – Schulden, offene Forderungen, gemeinsame Geschäfte?
  • 3. Könnte die Übernahme andere deiner Betreuungen negativ beeinflussen?
  • 4. Fehlen dir Zeit, Fachkenntnis oder emotionale Ressourcen für diesen konkreten Fall?
  • 5. Hast du Sicherheitsbedenken oder psychische Vorbelastungen in Bezug auf den Betroffenen?

Diese Fragen helfen dir, klar und ehrlich zu entscheiden – im Sinne aller Beteiligten.

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Wir hören uns nächste Woche wieder – mit einem Spezial zur überarbeiteten Erstfragebogen-Vorlage. Wer bis zum Ende gehört hat, weiß jetzt schon Bescheid. Also: Schöne Woche, bis zum nächsten Mal – und bleib klar in deinen Entscheidungen!

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