In dieser Folge wird erklärt, wann Betreuer ihre Betreuten nach § 1824 BGB nicht vertreten dürfen.
Es wird aufgezeigt, welche familiären und wirtschaftlichen Beziehungen zu Interessenkonflikten führen können und wann die Ausnahme der „Erfüllung einer Verbindlichkeit“ greift.
Besonders beleuchtet werden Pflegedienste, Mietverhältnisse, Schadensfälle und juristische Personen, an denen Angehörige beteiligt sind.
§ 1824 BGB legt fest, wann ein rechtlicher Betreuer den Betreuten nicht vertreten darf. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass Betreuer in Situationen geraten, in denen sie nicht mehr neutral handeln können. Es geht um Interessenkonflikte – also um Fälle, in denen der Betreuer auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts steht oder familiäre, emotionale oder wirtschaftliche Bindungen eine objektive Entscheidung erschweren. Der Gesetzestext lautet: „Der Betreuer kann den Betreuten nicht vertreten bei einem Rechtsgeschäft zwischen seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Betreuten andererseits, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.“
Das bedeutet: Wenn der Betreuer beispielsweise eine Zahlung oder einen Vertrag mit einem nahen Familienmitglied abschließen möchte, darf er das grundsätzlich nicht. Der Gesetzgeber will, dass die Interessen des Betreuten immer an erster Stelle stehen. Das ist kein Misstrauen gegenüber dem Betreuer, sondern Ausdruck des Neutralitätsprinzips im Betreuungsrecht.
Eine einzige Ausnahme nennt das Gesetz: die Erfüllung einer Verbindlichkeit. Damit ist gemeint, dass der Betreuer bereits bestehende, fällige Forderungen begleichen darf, wenn der Betreute sie rechtlich schuldet und kein Gestaltungsspielraum mehr besteht. Er darf also eine Rechnung bezahlen, die bereits vor seiner Bestellung entstanden und unstreitig ist. Was er aber nicht darf, ist eine neue Verpflichtung begründen, über Konditionen verhandeln oder eine Forderung erst anerkennen. Bei laufenden Verträgen, etwa bei Miet- oder Pflegeverhältnissen, entsteht mit jeder Leistung eine neue Forderung. Das bedeutet: Zahlungen an den Ehepartner oder an eine ihm gehörende Firma nach der Betreuerbestellung fallen nicht mehr unter die Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit. Hier muss das Betreuungsgericht einen Ergänzungsbetreuer einsetzen, der die Neutralität wahrt.
Interessenkonflikte begegnen uns im Betreuungsalltag ständig. Typisch ist der Fall, dass der Betreute in eine Wohnung ziehen soll, die dem Sohn oder der Ehefrau des Betreuers gehört. Auch wenn die Konditionen fair sind, ist das rechtlich unzulässig, weil der Betreuer dann auf beiden Seiten des Vertrags stünde. Ebenso kritisch sind Pflegeverträge mit Angehörigen. Wenn etwa die Betreuerin Ehefrau ist und ihr Mann den Pflegedienst betreibt, der den Betreuten versorgt, darf sie keine Rechnungen prüfen oder freigeben und keine neuen Vereinbarungen treffen. Das Vertretungsverbot greift hier unmittelbar, weil sie faktisch über Zahlungen an den eigenen Ehemann entscheidet. Das Gericht muss in solchen Fällen einen Ergänzungsbetreuer bestellen, der die Rechnungen und Leistungen neutral prüft.
Ein weiterer klassischer Fall betrifft Schadensersatzforderungen innerhalb der Familie. Verursacht der Sohn der Betreuerin einen Schaden beim Betreuten – etwa durch einen Unfall oder Pflegefehler – darf die Betreuerin den Betreuten in diesem Verfahren nicht vertreten. Das ergibt sich aus § 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Hier heißt es ausdrücklich, dass der Betreuer den Betreuten nicht vertreten kann bei einem Rechtsstreit zwischen den in Nummer 1 genannten Personen. Auch in solchen Fällen muss das Gericht also einen Ergänzungsbetreuer einsetzen, der die Interessen des Betreuten unabhängig wahrnimmt.
Was ist, wenn nicht der Angehörige selbst, sondern eine juristische Person – also eine GmbH oder UG – auf der Gegenseite steht? Juristisch betrachtet ist eine GmbH zwar eine eigene Person, doch wenn der Angehörige als Geschäftsführer oder Mehrheitsgesellschafter einen beherrschenden Einfluss hat, gilt das Geschäft wirtschaftlich als solches mit dem Angehörigen selbst. Das bedeutet: Das Vertretungsverbot greift auch bei juristischen Personen, wenn der Ehegatte oder Verwandte maßgeblichen Einfluss auf diese Gesellschaft hat oder von deren Erfolg unmittelbar profitiert.
Beispielsweise: Der Ehemann der Betreuerin hält 80 Prozent an einer Pflegedienst-GmbH und ist deren Geschäftsführer. Schließt die Betreuerin als Vertreterin des Betreuten nun einen Pflegevertrag mit dieser GmbH, liegt ein klarer Interessenkonflikt vor. Das Geschäft wird so behandelt, als hätte sie es direkt mit ihrem Ehemann abgeschlossen – also unzulässig. Bei Minderheitsbeteiligungen – etwa 10 Prozent ohne Geschäftsführungsbefugnis – besteht kein automatisches Vertretungsverbot, solange der Angehörige keinen tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann. In solchen Fällen kann das Gericht aber vorsorglich einen Ergänzungsbetreuer bestellen, um den Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Entscheidend ist immer die wirtschaftliche Betrachtungsweise: Wer kontrolliert die Gesellschaft, wer profitiert vom Geschäft und wer kann Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen?
Der Gesetzestext nennt nur Ehegatten und Verwandte in gerader Linie, aber nicht Lebenspartner oder Verlobte. Hier ist jeweils durch das Gericht gesondert zu entscheiden.
In der rechtlichen Betreuung ändert sich ständig etwas: neue Gesetze, neue Urteile, neue Vorgaben. Wer soll da noch alles im Blick behalten? Genau dafür gibt es campus | plus – dein monatliches Update, das dich ohne Stress auf dem neuesten Stand hält. Was erwartet Dich:
🎓 Monatlicher Minikurs (45–60 Minuten) zu aktuellen Themen
💬 Live Q&A mit Aufzeichnung – Fragen stellen und Antworten direkt aus der Praxis erhalten
🎧 Monatliche Podcasts mit Rechtsprechung – die wichtigsten Entscheidungen kompakt erklärt
📂 Zugriff auf das Archiv aller bisherigen Inhalte
📝 Teilnahmebescheinigung für deine Fortbildungsnachweise
👉 Bei Anmeldung bis zum 30.09.2025: 6 Monate für nur 99 €, danach 25 €/Monat. Nach Ablauf des Startangebots gilt der reguläre Preis von 34 €/Monat. Jetzt anmelden und Wissensvorsprung sichern: cp.betroyt.de