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Folge 235 Fehlbuchung - Wenn das Jobcenter an den falschen Vermieter zahlt

Die Direktzahlung der Miete durch das Jobcenter wird anhand eines Umzugsfalls verständlich erklärt. Es wird aufgezeigt, wann zivilrechtlich nach § 812 BGB oder öffentlich-rechtlich nach § 50 SGB X zurückgefordert wird und wer Adressat der Erstattung ist. Abschließend werden konkrete Schritte für die Betreuungspraxis genannt, um Fehlüberweisungen zu vermeiden und Rückforderungen korrekt zu adressieren (inkl. BGH: VIII ZR 39/17).

Schön, dass du wieder dabei bist — eine neue Woche, eine neue Folge. Ich freue mich, dass du mich wieder in dein Ohr lässt, damit ich dir ein paar Dinge mitgeben kann, die dir hoffentlich ganz konkret in deiner Tätigkeit als Berufsbetreuer weiterhelfen. Genau dafür ist dieser Podcast da.


Bevor wir in das Thema einsteigen: Danke für das viele positive Feedback zu Campus Plus. Das läuft jetzt seit knapp einem Monat und die Resonanz ist wirklich stark. Viele von euch sind schon dabei, haben den ersten Kurs abgeschlossen — und ich merke, dass das Format euch den Alltag erleichtert. Wer noch nicht dabei ist: Schau gern auf cp.betreut.de vorbei, dort findest du alle Informationen. Für alle, die schon drin sind: Im nächsten Monat widmen wir uns im Minikurs Sozialrecht ganz pragmatischen Fragen — Wie stelle ich Anträge, damit sie nicht an Formalien scheitern? Welche Unterlagen müssen wirklich rein? Wie reagiere ich sauber auf Nachforderungen und drohende Ablehnungen? Das Ganze ist kurz, klar und direkt auf deinen Alltag zugeschnitten. Wer nur den Minikurs will: ebenfalls cp.betreut.de — einmal draufschauen lohnt sich.


Worum geht’s heute? – Ausgangsfall, Problemkette, typische Fragen


Unser Thema heute: Überweisungen der Miete durch das Jobcenter — und was passiert, wenn sie versehentlich an den falschen Vermieter gehen. Das ist kein exotisches Problem, sondern Praxis pur.


Die Ausgangslage ist oft so: Deine Betreute, dein Betreuter bekommt Leistungen nach dem SGB II. Auf Antrag kann das Jobcenter die Miete direkt an den Vermieter zahlen — das steht so in § 22 Abs. 7 SGB II. Das ist sinnvoll, um Mietrückstände zu vermeiden.


Dann passiert Folgendes: Umzug. Du informierst das Jobcenter korrekt, der neue Mietvertrag liegt vor, alles sauber dokumentiert. — Trotzdem fließt im Folgemonat noch eine Zahlung an den alten Vermieter. Und dann geht die Spirale los:


  • Darf das Jobcenter das überhaupt noch?
  • Wer muss das Geld zurückzahlen — der alte Vermieter, der Betreute, oder wem gegenüber soll ich überhaupt tätig werden?
  • Welcher Rechtsweg gilt: Zivilrecht oder Sozialrecht?
  • Und ganz wichtig für uns als Betreuer: Wie vermeide ich solche Fälle, bevor sie entstehen?

Diese Fragen klären wir heute Schritt für Schritt — laienverständlich, aber juristisch sauber.


Zwei Blickwinkel – Zivilrecht vs. Sozialrecht (einfach erklärt, fachlich korrekt)


Damit es leicht bleibt, denken wir das Thema einmal in zwei Spuren: zivilrechtlich und sozialrechtlich.


3.1 Zivilrechtliche Spur: „Anweisung“ endet mit Kenntnis


Zivilrechtlich ist die Direktzahlung nichts Mystisches. Das Jobcenter schuldet die Leistung eigentlich deinem Betreuten — nicht dem Vermieter. Wenn auf Antrag direkt an den Vermieter gezahlt wird, ist das praktisch eine Anweisung: „Bitte zahle dorthin.“


Kipppunkt: Sobald das Jobcenter vom Umzug weiß, ist diese Anweisung beendet. Ab diesem Zeitpunkt darf die Behörde nicht mehr an den alten Vermieter zahlen. Passiert es doch, hat der alte Vermieter Geld bekommen, ohne dass es ihm zusteht. Zivilrechtlich nennt man das ungerechtfertigte Bereicherung — und der Betrag ist nach § 812 BGB herauszugeben.


Wichtig für Vorgebildete: Es handelt sich um die Direktkondiktion des Zahlenden gegen den (nicht mehr) Berechtigten — klassischer Anwendungsfall nach Ende der Empfangsberechtigung.


Wenn das Jobcenter noch nichts wusste:


Hat das Jobcenter noch keine Kenntnis vom Umzug, ist die Zahlung zwar sachlich falsch, aber aus Sicht der Behörde (noch) entschuldbar. In solchen Konstellationen läuft die Rückabwicklung häufig nicht zivilrechtlich gegen den Vermieter, sondern sozialrechtlich (dazu gleich).


3.2 Sozialrechtliche Spur: Rückforderung als Verwaltungsakt


Auf der sozialrechtlichen Seite gibt es den Mechanismus, zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückzufordern — regelmäßig über § 50 SGB X. Der Adressat ist typischerweise der Leistungsempfänger, also dein Betreuter. Es gibt aber Konstellationen, in denen auch der Vermieter Adressat sein kann, wenn das Geld tatsächlich bei ihm angekommen ist und kein Rechtsgrund mehr besteht.


Praxisregel für den Kopf:


  • Richtet sich die Rückforderung an den Vermieter, ist oft der zivilrechtliche Weg über § 812 BGB einschlägig — vor allem, wenn das Jobcenter bereits Kenntnis vom Umzug hatte und trotzdem an den alten Vermieter gezahlt hat.
  • Richtet sich die Rückforderung an den Betreuten, laufen wir regelmäßig über das Sozialrecht; das ist dann Verwaltungsverfahren und ggf. Sozialgerichtsweg.

Kernkriterium, immer wieder: Kenntnis der Behörde. Ab Zugang deiner Mitteilung über den Umzug bzw. den neuen Mietvertrag darf an den alten Vermieter nicht mehr gezahlt werden. Dieser Zeitpunkt entscheidet in der Praxis die Richtung.


Dein Fahrplan in der Betreuung – sauber dokumentieren, aktiv steuern


Damit du gar nicht erst in die Rückforderungsspirale kommst, hier ein klarer Fahrplan, der sich in der Praxis bewährt:


Widerruf & Neuzuordnung — schriftlich, belegbar, datiert


  • Schriftlich widerrufen, dass an den alten Vermieter gezahlt werden darf („Ab dem 01.08. bitte keine Zahlungen mehr an …“).
  • Neuen Mietvertrag mitsenden und im Anschreiben kurz benennen: Mietbeginn, Adresse, neuer Vermieter.
  • Eingang dokumentieren: E-Mail-Eingangsbestätigung, Faxjournal, behördlicher Eingangsstempel.

Tipp: Wenn ein neuer Bescheid kommt, in dem die neue Miete berechnet ist, ist das zugleich ein starker Hinweis, dass die Kenntnis vorlag.


Zahlungsflüsse prüfen — nicht abwarten


  • Im ersten Monat nach Umzug aktiv prüfen, ob die Miete korrekt geflossen ist.
  • Wenn der neue Vermieter sich bis zum 10.–15. nicht meldet, kurz proaktiv nachfragen („Ist die Miete eingegangen?“).
  • Kommt eine Mahnung oder „die Miete fehlt“-Hinweise: sofort reagieren — es ist oft nur ein kleiner Stellhebel im System.

Fehlzahlung passiert? — so gehst du vor


  • Sofort ans Jobcenter schreiben: „Zahlung an alten Vermieter war falsch, bitte Rückforderung einleiten; laufende Miete an neuen Vermieter sicherstellen.“
  • Alten Vermieter parallel schriftlich zur Rückzahlung an das Jobcenter auffordern.
  • Wichtig: Der alte Vermieter darf Überzahlungen nicht mit angeblichen Schäden „verrechnen“. Fehlerhafte Mieten sind separat zu erstatten.

Fristen & Verjährung


  • Zivilrechtlich gilt die regelmäßige Verjährung (§ 195 BGB).
  • Sozialrechtlich greifen die Regeln ab §§ 44 ff., 50 SGB X.

Praktisch heißt das: Zeitnah handeln, dann wird’s selten ein Problem.


 

  • Thema: Fehlüberweisung der Miete nach Umzug
  • Rechtsgrundlagen: § 22 Abs. 7 SGB II | § 812 BGB | § 50 SGB X
  • Gerichtliche Entscheidung: BGH, Urteil vom 31.01.2018 – VIII ZR 39/17
  • Kernaussage: Zahlt das Jobcenter trotz Kenntnis vom Umzug weiter an den alten Vermieter, kann die Miete direkt vom Vermieter zurückgefordert werden.
  • Praxis-Tipps:
    • Widerruf der Direktzahlung schriftlich erklären
    • Zugang dokumentieren
    • Zahlflüsse prüfen
    • Fehlüberweisungen sofort reklamieren
    • Rückzahlung durch Vermieter anstoßen

     

    Weiterführend:

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