In dieser Podcastfolge wird ein aktuelles Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (L 3 AS 39/18) zur Kürzung der Unterkunftskosten nach dem Auszug eines Untermieters ausführlich besprochen. Es wird erklärt, warum das Jobcenter keine erneute Kostensenkungsaufforderung aussprechen musste und welche rechtlichen Maßstäbe bei solchen Konstellationen gelten. Die Folge bietet praxisnahe Hinweise für rechtliche Betreuer:innen im Umgang mit atypischen Wohn- und Untermietverhältnissen.
In dieser Episode des Podcasts „betroyt – Podcast für rechtliche Betreuer“ widmet sich die Besprechung einem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts mit erheblicher Relevanz für die tägliche Betreuungspraxis: L 3 AS 39/18 vom 21. August 2024. Es geht um die rechtliche Bewertung von Unterkunftskosten im Kontext eines Untermietverhältnisses, das plötzlich endet – und der Frage, ob das Jobcenter in solchen Fällen verpflichtet ist, vor einer Kürzung der Leistungen eine neue Kostensenkungsaufforderung auszusprechen.
Im Mittelpunkt des Falls stehen eine alleinerziehende Mutter und ihre Tochter, die bereits seit mehreren Jahren Leistungen nach dem SGB II beziehen. Nach einer früheren Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters zogen sie 2012 in eine neue Wohnung. Die Mietkosten waren nur dann vom Jobcenter als angemessen anerkannt, wenn ein weiteres WG-Mitglied – konkret: ein Untermieter – die Wohnung mitnutzt. Diese Bedingung war explizit im Bescheid und in Gesprächen mit dem Jobcenter festgehalten. Die Wohnung wurde also bewusst unter der Prämisse angemietet, dass sich durch eine Untervermietung die anteilige Bruttokaltmiete auf das als angemessen definierte Maß für einen Zwei-Personen-Haushalt reduziert.
Die Klägerin vermietete zunächst auch tatsächlich ein Zimmer unter – allerdings jeweils nur kurzfristig. Bereits im Jahr 2012 endete das letzte Untermietverhältnis. Danach lebten Mutter und Tochter dauerhaft alleine in der Wohnung. Die tatsächliche Bruttokaltmiete überschritt nun die vom Jobcenter akzeptierte Obergrenze. Dennoch unternahm die Klägerin keine weiteren Schritte, um erneut unterzuvermieten oder umzuziehen. Das Jobcenter reduzierte daraufhin im Jahr 2013 die anerkannten Unterkunftskosten auf den als angemessen definierten Betrag – und zwar ohne eine erneute Kostensenkungsaufforderung. Dies war der Auslöser des gerichtlichen Verfahrens.
Die Klägerinnen argumentierten, dass der Auszug des Untermieters für sie nicht vorhersehbar gewesen sei und daher einer Mieterhöhung gleichzustellen sei. Demnach sei ihnen eine Übergangszeit zuzugestehen, in der die tatsächlichen Kosten als Bedarf hätten anerkannt werden müssen. Auch verwiesen sie auf die allgemeine Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, wonach unangemessene Kosten für Unterkunft und Heizung noch für einen Übergangszeitraum von bis zu sechs Monaten übernommen werden können, wenn eine Kostensenkung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Sie forderten eine rückwirkende Neuberechnung der Leistungen.
Das Landessozialgericht entschied jedoch zugunsten des Jobcenters. Der Kernpunkt der Entscheidung lautet: Eine erneute Kostensenkungsaufforderung war nicht erforderlich. Die Klägerinnen waren bereits bei Abschluss des Mietvertrags umfassend über die Begrenzung der Kostenübernahme informiert worden. Insbesondere war ausdrücklich erklärt worden, dass nur bei Vorliegen eines Untermietverhältnisses die Mietkosten als angemessen gelten würden. Diese schriftliche und inhaltlich klare Belehrung erfülle nach Auffassung des Gerichts bereits die gesetzlich vorgesehene Warn- und Aufklärungsfunktion. Eine nochmalige Aufforderung sei entbehrlich, wenn der Leistungsbezieher bereits über die maßgeblichen Grenzen und Rechtsfolgen unterrichtet ist.
Entscheidend war für das Gericht auch, dass es sich bei einem Untermieter nicht um ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft handelt. Die Mietverhältnisse mit Untermietern seien zivilrechtlich getrennt vom Hauptmietvertrag. Die Klägerin trage als Hauptmieterin das alleinige wirtschaftliche Risiko, wenn das Untermietverhältnis endet. Daraus könne kein Anspruch auf eine Übergangszeit zur Umstellung der Unterkunftskosten hergeleitet werden – im Gegensatz zu Fällen, in denen z. B. ein Partner aus einer Bedarfsgemeinschaft auszieht und dadurch die Wohnkosten steigen.
Zudem stellte das Gericht klar, dass auch im Fall einer realen Unzumutbarkeit der Kostensenkung – etwa bei Pflegebedürftigkeit, Wohnungsnot oder drohendem Wohnungsverlust – eine Verpflichtung zur Darlegung eigener Bemühungen zur Kostensenkung besteht. Die Klägerinnen hätten nicht ausreichend dargelegt, dass sie sich ernsthaft um Alternativwohnungen bemüht hätten. Hinweise wie „es war nichts zu finden“ reichten nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht aus. Stattdessen müssten detaillierte Nachweise über Wohnraumsuche, Gespräche mit Vermietern oder Anfragen bei Wohnungsunternehmen erbracht werden.
Auch ein weiterer Punkt war Gegenstand der Entscheidung: die Übernahme einer Heizkostennachforderung in Höhe von über 370 €. Hier entschied das Gericht, dass diese Nachforderung außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums entstanden sei und deshalb nicht berücksichtigt werden könne. Außerdem sei bereits mehr an monatlicher Heizkostenpauschale bewilligt worden als tatsächlich gezahlt wurde, sodass keine Unterdeckung vorliege.
Die Folge für die Praxis ist klar: Wenn der Grundsicherungsträger einmal ausdrücklich auf eine bestimmte Angemessenheitsgrenze hinweist und diese mit einer konkreten Bedingung (hier: Untermieter) verknüpft, genügt dies zur Wahrung der Informationspflicht. Scheidet der Untermieter aus, und ändert sich dadurch die wirtschaftliche Situation, führt das nicht automatisch zu einem Anspruch auf Übergangsregelungen. Es obliegt dem Leistungsbezieher, rechtzeitig Vorsorge zu treffen oder andere Maßnahmen zu ergreifen – etwa die Suche nach einem neuen Untermieter oder ein Umzug.
Für rechtliche Betreuer:innen ergeben sich daraus mehrere wichtige Implikationen:
Du musst in solchen Fällen sehr genau dokumentieren, welche Hinweise seitens des Jobcenters bereits vorliegen.
Du solltest überprüfen, ob die Wohnsituation tatsächlich den vom Jobcenter akzeptierten Rahmenbedingungen entspricht.
Wenn sich ein Wohnmodell (wie etwa durch Untermiete) als unsicher oder kurzfristig herausstellt, sollte frühzeitig gehandelt werden.
Wenn keine Alternative besteht, müssen konkrete Nachweise für die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung erbracht werden – das einfache Verharren in einer zu teuren Wohnung ohne dokumentierte Suche reicht nicht aus.
Auch solltest Du beachten, dass Gerichte zunehmend strengere Anforderungen an die Darlegungslast stellen – insbesondere wenn es um sogenannte atypische Fallkonstellationen geht, wie etwa das Wegfallen von Einnahmen durch Untermiete.
Der Podcast schließt mit einem klaren Fazit: Das Urteil ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass Leistungsbeziehende und ihre rechtlichen Vertreter eine aktive Rolle einnehmen müssen, wenn es um die Wirtschaftlichkeit der Unterkunft geht. Eine einmal gewährte Ausnahme oder ein wirtschaftliches Konstrukt – wie hier durch Untermiete – schützt nicht dauerhaft vor Leistungskürzungen. Aufklärung durch das Jobcenter genügt, und die Verantwortung zur Anpassung der Wohnsituation liegt in letzter Konsequenz beim Leistungsempfänger – und bei Dir als rechtlicher Betreuer, der ihn begleitet.
Abgerundet wird die Folge durch zwei gezielte Hinweise: In der Mitte erfolgt ein Call to Action zum betroyt campus, wo rechtliche Betreuer:innen Unterstützung, Austausch und Fachimpulse erhalten. Und am Ende folgt ein ausführlicher Hinweis auf die Startrampe, den Jahreskurs für Berufsanfänger:innen in der rechtlichen Betreuung, der im September wieder neu startet. Die Folge macht deutlich: Wer fundiertes Wissen zu Urteilen und rechtlicher Praxis haben möchte, findet im betroyt-Universum die passenden Angebote.
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