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Folge 223 Verschwunden - Wenn der Betreute nicht mehr zu finden ist

In dieser Folge wird besprochen, was rechtliche Betreuer tun müssen, wenn ein Betreuter plötzlich unauffindbar ist. Es werden rechtliche Pflichten, praktische Handlungsschritte und organisatorische Empfehlungen vermittelt. Auch Grenzfälle und Erfahrungsberichte aus der Praxis werden thematisiert.

Es ist der 2. Juli 2025. Ich glaube, es war der heißeste Tag in Deutschland seit Wochen, Monaten, vielleicht Jahren. Wir hatten hier 37, teilweise sogar 39 Grad – zwischendurch schien die Luft zu flimmern. Und damit herzlich willkommen zum betroyt Podcast. Wenn du diese Folge im Winter hörst, wirst du dich vielleicht sehnsüchtig an solche Temperaturen erinnern. Wenn du sie hingegen aktuell hörst, dann hoffe ich, dass sich das Thermometer inzwischen wieder auf angenehmere 20 bis 25 Grad bewegt hat.

Doch wir reden heute nicht über das Wetter, sondern über ein sehr ernstes Thema. Es geht darum, was du tun kannst – und tun musst –, wenn dein Betreuter plötzlich nicht mehr auffindbar ist. Also ganz konkret: Der Betreute ist weg. Du hast keine Ahnung, wo er ist. Und genau das schauen wir uns heute näher an.

Ich habe den Inhalt dieser Folge in drei Abschnitte gegliedert: Erstens klären wir, was du jetzt konkret tun musst. Zweitens beleuchten wir die rechtlichen Grenzen und Verpflichtungen, die dich betreffen. Und drittens geht es – wie immer in diesem Podcast – um das, was in der Praxis wirklich funktioniert. Denn ihr kennt mich: Ich bin Praktiker, ich will wissen, was im Alltag umsetzbar ist, nicht nur, was auf dem Papier steht.

Beginnen wir also mit der rechtlichen Komponente. Die Theorie ist hier entscheidend, um überhaupt korrekt zu handeln. Eine wichtige Vorschrift ist § 1864 Absatz 2 BGB. Dort heißt es sinngemäß, dass du als Betreuer dem Betreuungsgericht jede wesentliche Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuten unverzüglich mitzuteilen hast. Und das Verschwinden eines Betreuten – also seine Unauffindbarkeit – stellt ohne Zweifel eine solche wesentliche Änderung dar. Das Gericht will das wissen, weil es unter Umständen sogar über die Aufhebung der Betreuung entscheiden müsste, falls sich der Betreute dauerhaft entzieht oder nicht mehr erreichbar ist.

Dabei ist es sehr wichtig, auch auf deinen konkreten Aufgabenkreis zu achten. Wenn du beispielsweise die Gesundheitsfürsorge oder die Aufenthaltsbestimmung innehast, trägst du eine besondere Verantwortung und musst aktiv werden. In solchen Fällen ist es zwingend erforderlich, die Polizei einzuschalten, insbesondere wenn eine akute Gefährdung des Betreuten angenommen werden muss. Diese Einschätzung hängt natürlich vom konkreten Einzelfall ab, aber grundsätzlich besteht hier eine besondere Pflicht zum Handeln – auch haftungsrechtlich.

Doch was ist, wenn du die Aufenthaltsbestimmung nicht als Aufgabenkreis hast? Dann bist du nicht direkt dafür verantwortlich, die Person zurückzuholen oder unterzubringen. Trotzdem bleibst du verpflichtet, das Gericht zu informieren. Du solltest in jedem Fall Kontakt mit der Polizei aufnehmen und klarstellen, dass eine gesetzliche Betreuung besteht, und welchen Umfang diese hat. Parallel dazu kann es sinnvoll sein, beim Gericht eine Erweiterung des Aufgabenkreises zu beantragen, wenn sich daraus weitere Handlungsmöglichkeiten ergeben würden.

Komplizierter wird es, wenn psychische Erkrankungen vorliegen. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob in Abwesenheit eine Unterbringung angeregt werden kann. Das ist allerdings nur in Ausnahmefällen denkbar. Etwa dann, wenn du konkrete Hinweise hast, dass Suizidalität besteht. Dann könnte man mit einer gewissen Vorsicht eine einstweilige Maßnahme in Betracht ziehen – zum Beispiel, dass im Fall der Rückkehr sofort eine ärztliche Vorstellung erfolgen soll. Allerdings wäre das dann Sache der zuständigen Behörde oder der Klinik, und du könntest lediglich den Anstoß geben.

Doch auch wenn der Betreute verschwunden ist, laufen viele Dinge weiter. Insbesondere bei der Vermögenssorge bleibst du in der Pflicht. Das bedeutet: Die Miete muss weitergezahlt werden, Stromverträge dürfen nicht ohne Weiteres gekündigt werden, und Sozialleistungen müssen mit dem jeweiligen Träger geklärt werden. Es darf kein finanzieller Schaden entstehen, nur weil die betreute Person gerade nicht auffindbar ist. Du kannst also nicht einfach sagen: „Okay, der ist jetzt seit vier Wochen weg, ich kündige mal alles.“ Das würde dem Grundsatz der Schadensminimierung widersprechen. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen – etwa bei konkreter Gefahr eines größeren Schadens –, aber im Regelfall gilt: Die Strukturen des Alltags müssen erhalten bleiben, damit die betreute Person, sobald sie zurückkommt, in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren kann.

Ich würde in solchen Fällen auch immer mit dem Gericht sprechen, um gemeinsam zu klären, wie man mit der Situation am besten umgeht. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, welche Genehmigungen eventuell erforderlich sind – das ist kein Weg, den du alleine gehen musst. Das Gericht ist dein Partner, nicht dein Gegner.

Was würde ich dir aus praktischer Sicht raten? Zuerst: Ruhe bewahren. Nicht in blinden Aktionismus verfallen. Dann: Kontakt zu Angehörigen aufnehmen, sofern vorhanden. Gibt es Bezugspersonen, die etwas wissen könnten? Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem ich genau das getan habe. Ich habe die Mutter des Betreuten angerufen, weil er über Monate hinweg spurlos verschwunden war – ohne jede Kontobewegung. Daraufhin bekam ich ziemlich viel Ärger vom Betreuten, weil ich angeblich unnötige Unruhe gestiftet hätte. Aber ganz ehrlich: Wenn sich über fünf Monate nichts tut, weder telefonisch noch finanziell, dann besteht einfach Handlungsbedarf.

Wenn du weißt, wo sich der Betreute früher aufgehalten hat – etwa bestimmte Cafés, Bahnhöfe, soziale Einrichtungen –, dann ist auch das ein Ansatzpunkt. Vielleicht ist er dort gesehen worden. Vielleicht hinterlässt er irgendwo Spuren.

Solltest du medizinische Vorbefunde kennen, etwa Klinikaufenthalte oder bestimmte Diagnosen, kannst du auch dort gezielt anfragen. Natürlich immer unter Beachtung der Schweigepflicht und datenschutzrechtlichen Anforderungen.

Was ich dir empfehle – und was ich selbst nun auch umsetzen werde –, ist eine Art Kommunikationskette: Wer wird in welcher Reihenfolge informiert? Gibt es feste Ansprechpartner? Wer darf was sagen – und wer nicht? Diese Fragen kannst du schon im Vorfeld klären, zum Beispiel mit Einrichtungen, in denen deine Betreuten regelmäßig leben oder untergebracht sind. So ein System kann dir im Ernstfall enorm helfen.

Und schließlich: Wenn sich nach sechs bis acht Wochen keinerlei Kontakt mehr ergibt – keine Rückmeldung, keine Bewegungen auf dem Konto, keine Hinweise von Dritten – dann solltest du mit dem Gericht besprechen, ob eine Aufhebung der Betreuung in Betracht kommt. Natürlich nicht voreilig, aber verantwortungsvoll. Denn es gibt auch Menschen, die einfach keinen Kontakt mehr wollen, die abtauchen, sich zurückziehen – das ist ihr gutes Recht. Aber wenn die Umstände unstimmig sind, wenn die Geschichte „nicht rund“ klingt, dann musst du handeln. Besonders dann, wenn Hinweise auf eine psychische Krise oder Suizidalität bestehen.

Zum Schluss möchte ich noch eine kleine Anekdote loswerden. Ich hatte in einer früheren Folge mal erzählt, dass ich mir Sorgen mache, beim Drogenscreening am Flughafen „auffällig“ zu sein, wenn ich mit Betreuten zu tun habe, die vielleicht mit Substanzen in Kontakt waren. Eine Hörerin schrieb mir daraufhin, dass ich da beruhigt sein könne – bei den Tests am Flughafen wird nach Sprengstoff, nicht nach Drogen gesucht. Vielen Dank an dieser Stelle für diesen Hinweis – ich musste sehr schmunzeln.

Also, wie sieht es bei dir aus? Ist dir schon mal ein Betreuter abhandengekommen? Hast du jemanden gesucht? Und – vielleicht viel wichtiger – hast du ihn oder sie wiedergefunden? Schreib mir gerne. Du weißt ja: Der Austausch mit dir und anderen Hörer:innen ist mir wichtig.

Und wie immer am Schluss: Wenn du mehr möchtest – vertiefende Inhalte, Handlungshilfen, Checklisten – dann schau gerne auf betroyt.de vorbei oder direkt auf ca.betroyt.de im Campus. Dort findest du alles zum Nachlesen, Nachhören und Nachschauen. Für Fragen bin ich auch direkt erreichbar unter info@betroyt.de – und wie immer: „betroyt“ mit R-O-Y.

Ich wünsche dir eine ruhige Woche – und hoffe, dass deine Betreuten alle gut auffindbar bleiben. Bis zur nächsten Folge!

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