Einleitung
Willkommen zu einer neuen Folge von betroyt – Podcast für rechtliche Betreuer.
Heute geht es um ein Thema, das viele von uns in der Praxis betrifft: Krankentransporte zur ambulanten Behandlung – und die Frage, ob die Krankenkasse auch dann zahlen muss, wenn vorher kein Antrag gestellt wurde.
Wir schauen uns einen konkreten Fall an, der bis vor das Bundessozialgericht gegangen ist, und klären, was das Urteil für unsere Arbeit als Betreuer bedeutet.
Sachverhalt
Ein schwer erkrankter Mann muss über mehrere Monate hinweg regelmäßig zur Chemotherapie ins Krankenhaus. Zwei Mal pro Woche wird er gefahren, und zwar nicht einfach mit einem Taxi oder Bus, sondern im Krankentransportwagen. Der Grund: Sein Gesundheitszustand ist kritisch. Er ist auf Sauerstoff angewiesen und bereits durch einen Schlaganfall stark geschwächt. Die Ärzte stellen klar: Eine Fahrt ohne medizinische Begleitung kommt nicht in Frage.
Die Transporte finden zwischen Juli und Dezember 2020 statt. Erst Ende November, nach vier Monaten, wird ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt die Kasse die Kosten bis Jahresende. Für die Monate davor lehnt sie die Zahlung jedoch ab – mit der Begründung: Es lag keine vorherige Genehmigung vor.
Damit entstehen der Familie Kosten im mittleren vierstelligen Bereich. Die Vorinstanzen geben der Krankenkasse recht und sagen: Ohne vorherigen Antrag besteht kein Anspruch. Aber: Die Transporte liefen über den öffentlich-rechtlich organisierten Rettungsdienst, also nach Gebührenordnung des Kreises – und nicht über einen Vertragspartner der Krankenkasse. Genau dieser Punkt wird vor dem Bundessozialgericht entscheidend.
Problemfragen
Und hier tauchen für uns ganz praktische Fragen auf:
Muss wirklich immer vorher ein Antrag gestellt werden?
Was passiert, wenn die Transporte zwar notwendig und verordnet waren, aber der Antrag erst später kam?
Darf die Krankenkasse die Kosten einfach verweigern, obwohl die Fahrten ohnehin über den Rettungsdienst liefen?
Und was unterscheidet eigentlich eine einfache Krankenfahrt von einem Krankentransport – und warum ist das für uns als Betreuer wichtig?
Besprechung und Lösungsansätze
Das Gesetz ist zunächst klar: Krankentransporte müssen vorher genehmigt werden. Der Sinn dahinter ist, dass die Krankenkasse vorab prüfen kann, ob die Fahrt wirklich notwendig und wirtschaftlich ist. Für Krankenfahrten im Taxi oder Bus gibt es Erleichterungen, teilweise sogar eine Genehmigungsfiktion. Für Krankentransporte im Krankentransportwagen gilt das aber nicht.
Im konkreten Fall ist das Problem: Die Fahrten wurden über den Rettungsdienst abgewickelt. Und die Krankenkasse hatte gar keine Möglichkeit, dort steuernd einzugreifen. Sie konnte die Preise nicht beeinflussen, keine andere Leistung anbieten, nichts. Selbst wenn der Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre, hätte die Kasse die Transporte nicht anders organisieren können.
Das Bundessozialgericht sagt: In solchen Fällen macht es keinen Sinn, am „Vorher“ festzuhalten. Der Zweck der Antragspflicht greift nicht, wenn die Kasse die Leistung ohnehin nicht als Sachleistung erbringen kann. Das bedeutet: Der Anspruch bleibt bestehen – nicht als Sachleistung, sondern als Kostenerstattungsanspruch. Aber: Es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Es braucht eine klare ärztliche Verordnung, eine nachvollziehbare medizinische Notwendigkeit, Nachweise über die tatsächlich durchgeführten Transporte und das Setting, in dem die Kasse keinen Vertrag hatte.
Für die Praxis heißt das: Ein fehlender Antrag ist nicht automatisch das Ende. Wenn die Umstände so sind, dass die Kasse ohnehin keinen Einfluss nehmen konnte, dann muss sie trotzdem zahlen.
Handlungsempfehlungen für Betreuer
Was heißt das für uns konkret?
Stellt, wenn möglich, die Anträge sofort, sobald absehbar ist, dass regelmäßige Transporte notwendig werden.
Wenn es zu spät ist: Nicht gleich aufgeben. Weist auf die medizinische Notwendigkeit hin und verweist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Dokumentiert alles lückenlos – von der ärztlichen Verordnung über Fahrtlisten bis hin zu Rechnungen.
Erklärt zeitliche Brüche, also warum ein Antrag erst später gestellt wurde.
Und klärt frühzeitig mit dem Rettungsdienst, wie die Abrechnung läuft.
Shownotes
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Entscheidungen/2025/2025_02_20_B_01_KR_07_24_R.pdf;jsessionid=73BDE30063D63A46CC617DC876AF9EB3.internet982?__blob=publicationFile&v=2