1. Einleitung und Ausgangssituation
Ja, schön, dass du da bist beim betroyt-Podcast, dem Podcast für rechtliche Betreuer. Wir beschäftigen uns heute mit dem Thema Barabhebungen vom Konto durch Dritte. Wie bin ich auf das Thema gekommen? Es war eine Anfrage einer Teilnehmerin der Startrampe, die im Rahmen unseres Livecalls diese Frage aufgeworfen hat – und sie hat mich irgendwie nicht losgelassen.
Die Betreute, um die es geht, ist eine ältere Dame. Seit vielen Jahren darf ihre Tochter regelmäßig Geld vom gemeinsamen Konto abheben. Die Tochter hat eine Bankvollmacht, die Bank kennt sie, und alles lief bisher friedlich. Dann kommt die Betreuerbestellung – und plötzlich sieht die Betreuerin, dass die Tochter auch nach der Bestellung 200 Euro vom Konto abhebt. Die Tochter erklärt: „Mama hat mir das erlaubt, das war schon immer so, ich habe ja die Vollmacht.“ Und genau hier beginnt das Problem.
2. Der rechtliche Konflikt: Wille vs. Verantwortung
Im Kern geht es um die alte Absprache zwischen Mutter und Tochter – und die neue Rechtslage durch die Betreuung. Musst du als Betreuer das unterbinden oder den Wunsch der Mutter fortführen? Ein klassisches Spannungsfeld zwischen Wohl, Wille und Verantwortung. Besonders schwierig ist der Fall, weil die Mutter an einer Demenz leidet. Sie kann nicht mehr klar äußern, ob sie will, dass die Tochter weiterhin Geld abhebt.
Grundsätzlich bleibt die betreute Person geschäftsfähig, solange kein Einwilligungsvorbehalt besteht. Der Betreuer soll die Wünsche achten, aber gleichzeitig das Vermögen schützen (§ 1821 BGB). Seit der Reform 2023 gilt: Die unterstützte Selbstbestimmung steht im Mittelpunkt. Der Betreuer soll nicht bevormunden – aber auch nicht zusehen, wenn Vermögen verschwindet.
3. Bedeutung des früheren Willens
Der frühere Wille, also die alte Absprache, bleibt grundsätzlich wichtig. Man spricht vom mutmaßlichen Willen, solange dieser nicht dem Wohl widerspricht. Das bedeutet: Weder die Tochter noch der Betreuer können sich einfach auf „das war schon immer so“ berufen. Jede Verfügung nach Beginn der Betreuung braucht eine neue rechtliche Bewertung.
Man muss abwägen: Was spricht für die Fortsetzung? Nähe, Vertrauen, familiäre Unterstützung. Was spricht dagegen? Schutzpflicht, Vermögenssorge, mögliche Ausnutzung. Regelmäßige Geldabhebungen ohne Gegenleistung sind rechtlich Schenkungen – und häufig genehmigungspflichtig (§ 1854 BGB). Selbst wenn das schon immer so war, gilt: Mit der Betreuerbestellung beginnt ein neuer Rechtsrahmen. Lässt du als Betreuer solche Zahlungen einfach laufen, kann das eine Pflichtverletzung durch Unterlassen sein.
4. Abwägung und Handlungsempfehlung
Es gilt, eine Balance zu finden zwischen Vertrauen und Verantwortung. Bei Sozialhilfebeziehern gilt grundsätzlich: Schenkungen sind ausgeschlossen, denn meist bleibt kaum Geld über, um solche Zuwendungen zu leisten. Bei wohlhabenden Betreuten kann man kleinere Beträge tolerieren, wenn alle Kosten gedeckt sind.
Ein möglicher Vier-Schritte-Plan:
Erstens: Konten prüfen – auch rückwirkend: Wie oft, in welcher Höhe, über welchen Zeitraum?
Zweitens: Verwendungszweck klären – falls möglich, die begünstigte Person befragen.
Drittens: Betreute Person einbeziehen – Wille prüfen, soweit kommunizierbar.
Viertens: Vollmachten ruhen lassen – Bankvollmacht stilllegen und gegebenenfalls gerichtliche Genehmigung einholen.
Wichtig ist, den ursprünglichen Zweck – etwa Unterstützung der Tochter oder Enkel – zu sichern, ohne rechtliche Risiken einzugehen. Wenn der Wille war: „Du sollst Geld bekommen“, dann kann das auch ohne Zugriff auf das Konto umgesetzt werden.
5. Praktische Umsetzung und Abschluss
Wenn die Mutter äußert, dass die Zahlungen weitergehen sollen, kann man das rechtlich korrekt gestalten. Unregelmäßige, kleine Zuwendungen in angemessenem Umfang sind möglich, regelmäßige Zahlungen – zum Beispiel monatlich 200 Euro – bedürfen der gerichtlichen Genehmigung. Damit bleibt der Wunsch erhalten, aber die Umsetzung erfolgt kontrolliert.
Alles sollte dokumentiert werden: Besuche, Gespräche, Willensäußerungen schriftlich festhalten, Quittierungen einholen, Zeugen hinzuziehen, falls möglich. So kannst du im Zweifel nachweisen, dass du den Willen des Betroffenen umgesetzt – nicht aber den der Angehörigen – hast.
Zum Abschluss: Eine Schenkung an nahe Angehörige ist nicht per se verboten, aber sie braucht Kontrolle, Transparenz und Genehmigung. Der sicherste Weg: Vollmacht widerrufen, Zahlungsströme über dich abwickeln, Gericht informieren.
Das war’s für diese Woche. Wer Fragen hat, kann sie in der Startrampe stellen – unserem Mentorenprogramm ab Januar. Infos unter startrampe.betroyt.de. Kostenfreien Austausch gibt es auf dem betroyt Campus unter ca.betroyt.de. Und für tägliche Impulse: betroyt | wissen auf Instagram folgen. Wir hören uns nächste Woche wieder.